Traurigkeit kommt und geht

Blume auf dem Boden

Die Suche nach Antworten für mich und meine Kinder in der Trauer

Im Rahmen der Aktion „Alle reden über Trauer“ von Silke mit ihrem Blog inlautertrauer.de möchte ich hier von meinen persönlichen Erfahrungen erzählen, die meinen Weg zur Trauer- und Sterbebegleiterin ebneten.

Hilflosigkeit

Die erste Begegnung, die meine Kinder mit dem Thema Tod hatten, war sehr schmerzlich. Als sie 13 und 16 Jahre alt waren, erkrankte ihr Vater, mein Ex-Ehemann an Krebs. Er sollte in den folgenden Monaten eine medizinische Behandlung mit unsicherem Ausgang vor sich haben. Ich fühlte mich damals völlig hilflos und fragte mich, wie ich meine Kinder in dieser Krise unterstützen könne. Wie viel Wahrheit verkraften sie? Wie viel Lüge darf sein? Wie kann ich sie auf den schlimmsten Fall, nämlich den, dass ihr Vater stirbt, vorbereiten? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antworten hatte.

Fügung?

In meiner Hilflosigkeit beschloss ich, mich über Möglichkeiten und Wege zu informieren, einen solchen Schicksalsschlag emotional selbst zu verkraften und meinen Kindern eine Stütze zu sein. Mein erster Weg führte mich zur Bücherei, um mich mit Literatur zu versorgen. Dort angekommen fand ich auf einem Tisch eine Auswahl an Büchern zum Thema Tod und Trauer sowie Ratgeber für Kinder, deren Familienangehörige und Freunde gestorben waren. Der Tisch war wie für mich vorbereitet. Zufall oder Fügung?

Der Tod als Tabu

Der Tod wurde in meiner Herkunftsfamilie völlig tabuisiert. Wenn ein Verwandter ernstlich erkrankt war oder starb, wurde ich selbst als Kind aus falsch verstandener Rücksicht darauf, dass ich „keinen Schaden nehmen sollte“ von Krankenhäusern und Beerdigungen ferngehalten. Und so hatte ich es bis dato auch mit meinen Kindern gehalten in dem Glauben, sie zu beschützen. Sie hatten bis zur Diagnose ihres Vaters keine Berührungspunkte mit Krankheit und Tod gehabt und waren mit dem Ernst der Lage völlig überfordert. Letztendlich ist es nochmal gut ausgegangen, ihr Vater hat überlebt.

Ich bin an meiner damaligen Hilflosigkeit gewachsen und habe erkannt, dass meine Eltern mir keinen Gefallen damit getan hatten, Krankheiten und Tod zu tabuisieren – und auch ich meinen Kindern nicht. Mittlerweile habe ich viel über den Umgang mit lebensbedrohlichen Krankheiten und dem Tod an sich gelernt. Das half uns schließlich auch, als meine Eltern vor wenigen Jahren starben und ihr Tod nun unmittelbar unser Leben betraf.

Der Tod als Teil des Lebens

Ich habe meinen Vater und meine Mutter im Sterben bis zum letzten Atemzug begleitet. Diese Erlebnisse waren hoch emotional und berührend. Der Tod verlor für mich mit diesen Erfahrungen seinen Schrecken. Meine Einstellung und Haltung veränderten sich nachhaltig, und ich wurde auch immer sicherer im Umgang mit meinen Kindern, um ihnen eine unvoreingenommene Einstellung zum Thema Tod und Krankheit zu vermitteln.

Opa sieht so friedlich aus

So zum Beispiel nahm ich sie mit ins Krankenhaus, in dem sie sich von ihren Großeltern persönlich, noch im Leben, verabschieden konnten. In der Trauerzeit bis zur Beerdigung malten sie zuhause Bilder und schrieben Abschiedsbriefe. Gemeinsam legten wir den Großeltern unsere Abschiedsgrüße in den Sarg. Am offenen Sarg tauschten wir Erinnerungen aus, lachten und weinten zusammen über die Geschichten, an die wir uns gemeinsam erinnerten. Wir streichelten die kalten Körper ein letztes Mal. „Der Opa sieht so friedlich aus“, sagte meine Tochter.

Kinder haben einen ganz natürlichen Umgang mit dem Tod. Der Tod wird schon in Märchen beschrieben als Teil des Lebens, und Kinder nehmen diese Tatsache als etwas Selbstverständliches an. In der heutigen Zeit allerdings hat der Tod keinen Platz mehr und so sind es häufig die Erwachsenen, die den Tod tabuisieren und damit Ängste schüren.

Unsere Einstellung zum Tod ist genau so individuell wie unsere Einstellung zum Leben. Und so ist auch die Trauer etwas sehr Individuelles. So wie das Leben, sollten auch Tod und Trauer kein Tabu sein.

Aus diesem Grund habe ich Trauerseminare absolviert und eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin gemacht, um Menschen zu begleiten, die ähnlich geprägt wurden und in ihrer Trauer um das eigene Leben oder den Tod eines geliebten Menschen hilflos sind.